Unsere Johanneskirche


Kirche und Architektur
Hier bekommen Sie einen kleinen Eindruck von unserer kunstvoll gestalteten Kirche.

Zunächst ein Blick auf unsere Kirche von außen:

   

Hier ein Blick in den Kirchenraum:

Folder zur Kirche zum Beginn des Jubiläums 2013/2014


Beschreibungen einzelner Fenster (soweit nicht anders vermerkt, stammen die Beschreibungen von Pfarrer i.R. Dr. Hans Braeunlich)

Schrei

Wenn man die Kirche betritt, sind es drei Fenster, die man sieht und die in ihrer Thematik erst zusammen ein Ganzes bilden. Das erste, rechte Fenster davon, der „Schrei“ zeigt gebeutelte Gestalten vor einem weißen, windbewegten Hintergrund. Sie scheinen zu schweben, so, wie Chagall Liebende immer schwebend gemalt hat. Von rechts zur Mitte hin blickend sieht man einen Menschen, der schreit. Man kann ihn hören. Ohne Worte geht es durch Mark und Bein. Stumm zwar und doch gellend laut. Entsetzen wird hörbar, fast zum Greifen. Dieser Blick, der das Unfassbare anschauen muss. Wie gefesselt starrt er auf das Gegenüber, das aus einer anderen Dimension zu kommen scheint. Kein Bild, um es zur Dekoration an die Wand zu hängen. Nichts, was sich dem Schöngeist hingibt. Der Mensch dort steht am Abgrund …

Es ist der „Engel der Geschundenen“, der schreit: „Alleine schaffe ich es nicht mehr!“ Dieser Schrei ohne Worte, der Schrei der Sprachlosen ist seine zum Himmel schreiende Klage. Und ist zugleich Ausdruck der Situation von Unterdrückung und Leiden unzähliger anderer.
Und doch ist der Schrei die zum Himmel gewandte Frage, der Beginn des Gesprächs zwischen Gott und Mensch.

So reckt er sich hin zur Mitte des Fensters, zum Riss, zur klaffenden Wunde. Und provoziert Gottes Antwort:

„ Ich der Gott deiner Väter, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs,
ich habe das Schreien meines Volkes über seine Bedrücker gehört. …
Ich kenne eure Leiden. Ich bin der Herr, ich befreie euch,
ich reiße euch aus der Sklaverei. …
Ich habe den Schrei meines Volkes, sein Stöhnen
unter seinen Unterdrückern gehört.“
(2. Buch Mose 3).

Es ist der „Engel des Neuen“ (links im Bild), der „Angelus Novus“, der den lautlos Schreienden nicht aus den Augen verliert und der, getragen von einem geheimnisvollen Wind, der vom Paradies her weht, ins Neue, Rettende unaufhaltsam vorangetrieben wird.

„Befreiung“

„Ich habe den Schrei meines Volkes gehört!“, so beginnt die biblische Befreiungsgeschichte. Mit diesem Hören auf den Schrei durch den „Engel der Geschichte“ beginnt die Befreiung der Unterdrückten von ihren jeweils herrschenden „Götzen…“.
Im mittleren Fenster nun geschieht etwas Erstaunliches: Wir sehen drei wilde, muskelbepackte Gestalten, Menschen, die verfolgt und verachtet werden. Sie fassen sich an den Händen, bilden eine Menschenkette, die bis zum Schwächsten reicht, der gerade im Morast versinkt. Befreiung heißt hier: die ineinandergreifenden Hände in der „Kraft aus der Höhe“, die das alltägliche Wunder wirken lassen ( s. die von oben herabfließenden Lichtbänder ).
„Werde allein fertig“, diesen Satz hört man nicht so oft, aber unausgesprochen ist er allgegenwärtig. Jedoch: allein ist jeder nur sich selbst der Nächste, ist mein Alleinsein vorprogrammiert. Zum Glück gibt es aber Menschen, die ihre Kraft auch für andere geben. Andere sitzen lassen? Ausgeschlossen… Was sie tun? Sie leben die Liebe. Dazu braucht es nicht viele: dazu reichen zwei oder drei! Wo sie zusammenhalten, „da ist Er mitten unter ihnen.“ Wo sie standhalten, da ist Er, von dem gesagt wird: Er sieht und hört und weiß – ohne diese Beatmung von oben würde unser Kräftehaushalt bald ersticken…Er kommt herab, um zu stärken und zu befreien, durch seine Kraft in unseren Herzen und Händen.

„Liebe“

In Liebe einander zugeneigt streben sie einander zu, fast berühren sich Hände und Lippen – und doch bleibt jeder er/sie selbst. Da ist Zuneigung, Freundschaft, Zärtlichkeit und stummer Austausch, beide verbunden in Nähe und Distanz, Bindung und Freiheit. Sehnsucht und leichtes Erschrecken spiegeln sich in ihren Gesichtern – sehnen nach mehr, nach Liebe!
Ja, Glaube an Gott wird nicht entscheiden für’s Leben miteinander, es sei denn, wir leben die Liebe. Also mindestens einen Menschen für wichtig finden, ist entscheidend. „Gott ist ein glühender Backofen voll Liebe,“ sagt Martin Luther. Wer wollte sich an einem solchen Backofen nicht wärmen? Lieben bedeutet: Vertrauen schenken, an Menschen glauben, sich füreinander einsetzen, einander lieben, das braucht es für eine neue Welt. Paulus schreibt: „Gott ist die Liebe—und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“ (1. Joh 4, 16). „Liebe treibt die Furcht aus“ und macht die Faust wieder zur Hand! Und es wachsen wieder Mut und Geduld, Freundlichkeit und Freundschaft, mit der wir einander begegnen … .
Also alles, was zum Guten führt; alles, was zu etwas mehr Recht und Frieden für etwas mehr Menschen führt – sind wir zu solcher Liebe imstande? Und werden wir sie durchhalten? Ich bleibe dabei: das Reich der Befreiung, der Gerechtigkeit und des Friedens kommt dort, wo Liebe durchgehalten wird. Ist das nicht unser aller tiefe Sehnsucht?
Und die Natur macht es uns ja auch leicht und lässt uns einen Vorgeschmack dieser Liebe schon genießen, wenn zwei Menschen sich so sehr zueinander hingezogen fühlen, dass keine Macht der Welt sie mehr zu trennen vermag. Im Fenster trägt sie ein Wind einander zu und das gegenseitige „Ich-liebe-dich“ wird – von Mund zu Mund – zum Kuss. Das Innerste der Liebe aber öffnet sich erst, nach ihrer vorläufigen Erfüllung, durch die Erfahrung ihrer Unerfülltheit. Deshalb auch in diesem Fenster wieder der Riss, hier aber nicht dunkel, sondern von Licht erfüllt. Ist es wahre Liebe, so bleibt dennoch etwas offen zwischen den beiden, ein Licht bricht ein, senkrecht von oben, und mit ihm öffnet sich eine Weite eines noch unerfahrenen Raums ihrer Liebe, der sie erwartet … .
Liebe Gemeinde, vor uns liegt die Advents- und Weihnachtszeit. Und wir wissen: Wie wichtig uns diese Zeit ist, sonst wäre ja nicht diese tiefe Sehnsucht damit verbunden! Sehnsucht nach dem, was uns von all dem wieder verloren gegangen ist, ohne dass wir es merkten. Sehnsucht nach Frieden, nach Leben, nach Liebe, nach der Erfüllung der Verheißung, nach Gott, der die Liebe und das Herz von allem ist.

Waage der Gerechtigkeit

Was eigentlich zeichnet eine christliche Gemeinde aus? Wofür steht sie ein und woran können wir sie erkennen? Für mich ist sie eine Gemeinschaft von Menschen, die aus dem Evangelium leben und die Nöte der Menschen wahrnehmen. Nöte, die ja verursacht sind durch vielfache Ungerechtigkeit, Kriege und Terror, die fortschreitende Zerstörung der Schöpfung. Dem gegenüber erzählen in einfachen Symbolen, intensiven Farben und dynamischen Strukturen in der Johanneskirche drei miteinander zusammenhängende Fenster von „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“. Es sind positive Bilder – Bilder, die hoffnungsvoll stimmen.

Da sehen wir im südlichen, hinteren Bereich der Johanneskirche zunächst das Bild mit dem Thema „Gerechtigkeit„. Und erkennen eine austarierte „Waage“ im Gleichgewicht, auf der die Interessen gewogen werden, damit jeder das Seine gibt und bekommt. Es könnte aber auch ein Vogel sein – im ausbalancierten Schwebeflug. Im Gleichgewicht ruht die Waage auf der Kimme, auf deren Spitze sie ruht – und keiner ist oben und niemand muss unten sein! So ist die „Waage“ immer schon ein Gleichnis für „Gerechtigkeit“, für gerechten Ausgleich der Menschen untereinander. Also nicht mehr diese „Halte-was-du-hast-Gesinnung“, sondern gegenseitiges Verstehen, Freude und Leid teilen, Geben und Nehmen, Bitten und Danken – auf diese Weise könnten wir doch einander allmählich immer mehr ein wenig gerechter werden.

Aber all das kann wohl nur gelingen, wenn wir in unserer immer kleiner werdenden Welt geduldig weiter solche Netze der Verbundenheit knüpfen in der Familie, in der Nachbarschaft, im Dorf, im Land und – was uns ja heute möglich ist: weltweit!

Ja, das habe ich bei meinem Lehrer des Alten Testaments im Marburg gelernt: es gibt dort keinen Begriff von so zentraler Bedeutung für alle Lebensbereiche des Menschen wie den der „Gerechtigkeit“. Sie ist der Maßstab für das Verhältnis der Menschen untereinander. Und „Gerechtigkeit“ ist ja ein Beziehungswort! Wir setzen es um im immer neuen Versuch, Menschen wenigstens annähernd gerecht zu werden. Denn Frieden finden wir ja nur dann, wenn wir Gerechtigkeit besorgen! Allein jedoch schaffen wir das nicht. „Wir sind ja Engel mit nur einem Flügel“ – hat jemand einmal gesagt. „Um fliegen zu können, müssen wir uns umarmen.“

Ja, „Selig sind die, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie sollen satt werden,“ sagt Jesus in seiner Bergpredigt ( Matth. 5,6 ). Mir ist diese Seligpreisung ein großer Trost und eine Bekräftigung, dass die Anliegen einer gerechten Welt Menschen nicht nur vor Ort, sondern weltweit zu unermüdlichem Einsatz bewegen.

„Zwei Tauben“

Eine zweite Trilogie ist es, die im hinteren, südlichen Bereich unserer Kirche von „Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung“ erzählt. Auch angesichts des Krieges auf dem Balkan hatte der „Ökumenische Rat der Kirchen“ Ende des letzten Jahrhunderts dieses Motto zu einer zehnjährigen, weltweiten Friedensdekade erklärt, an der sich auch die christlichen Gemeinden Freigerichts engagiert haben. In diesem Zusammenhang entstand auch die Idee, im hinteren Bereich unserer Kirche eine weitere Trilogie zu gestalten, in der die o.g. Themen aufgegriffen werden, damit ihre Aktualität uns bleibend vor Augen steht. Der unvergessene Freigerichter Künstler Harald Reuss (†) hat sie bildlich gestaltet – als Mitarbeiter an einer Vision des Friedens, Traum einer „neuen Welt“, die ihren beschwörenden Klang bis heute nicht verloren hat.

Natürlich sind es biblische Bezüge, die dazu geführt haben, dass die Taube diese symbolische Bedeutung bekam: Noah war es, der eine Taube aus der Arche fliegen ließ, um zu erahnen, ob die Wasser der Sintflut abgeflossen waren. Diese Taube brachte einen Ölzweig im Schnabel zum Zeichen des Friedens, die Flut war vorüber (1. Mose 8, 11). Jetzt sollte Frieden sein, die Taube, die Friedenstaube zeigte es an und steht nun selbst für Frieden unter den Menschen. In unserem Fenster erscheint die Taube sogar als Pärchen – Anknüpfung an alte, urchristliche Darstellungen, in denen die Taube nur ganz selten allein, als einzelner Vogel, dargestellt ist – vielleicht auch deshalb, weil zwei auf jeden Fall besser dran sind als einer allein. Sie fliegen nach draußen, aus unserer Kirche hinaus ins Freie – Anspielung darauf, welche Botschaft von diesem Raum in die Welt ergehen soll, und dafür sind zwei Tauben noch viel zu wenig! „In dieser Welt soll Friede sein!“, verkünden sie. Der erbarmungslose Krieg, den der Mensch führt, soll aufhören! Wie Gott mit den Menschen Frieden geschlossen hat, soll der Mensch auch Frieden schließen – untereinander und mit der Natur!

Da bleibt doch – angesichts unserer gegenwärtigen Verhältnisse – nur die Bitte:
„Komm, schöpferischer Geist, denn du bist ein Geist, der Neues schafft: Frieden durch Gerechtigkeit und nicht durch Stärke und selbstgemachte Sicherheit. Komm und mach uns endlich vernünftig!“

Bewahrung der Schöpfung

Von dem Freigerichter Künstler Harald Reuss (†) im Jahr 1992 entworfen, gehören die drei Glasbilder, die Sie im linken hinteren Teil unserer Kirche sehen, zum Themenbereich „Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung“. Die meisten Einzelheiten erzählt das dritte, hochformatige Glasbild „Bewahrung der Schöpfung“. Als Farbensymphonie erstrahlt die Komposition besonders in der Abendsonne. In sieben Teilen – die sieben Schöpfungstage symbolisierend – greift das Fenster der Trilogie den Schöpfungsbericht der Bibel aus dem fünften Jahrhundert vor Christus auf. Die Grundfarbe ist ein kräftiges Blau als Grundelement allen Lebens. Ganz unten herrscht noch Finsternis, die Erde ist nur schemenhaft zu sehen. Es folgt die nur angedeutete Vielfalt des Lebens, realisiert durch den siebenblättrigen Baum, der sich schlank ins Licht verzweigt. Der unausweichliche Blickfang ist jedoch der Stern, hell und bizarr – der „Urknall“ als naturwissenschaftliche Hypothese über die Entstehung des Universums konzentriert alle Energie. Von diesem Brennpunkt her, von dieser Sonne in hellgelb, weiß und rot, ist das ganze Fenster gestaltet. Im Zentrum steht der Baum – und in ihm steckt ein Geheimnis: die Feuchtigkeit, die er sammelt. Wurzeln, die die Erdkrume festhalten. Der Stamm, der alles trägt. Und die Zweige, die die Energie der Sonne auf unsere Erde holen. Von den Blüten und Früchten des Baumes leben Insekten und Vögel. Und von seinem Laub, seinem Holz, seinen Früchten lebt der Mensch! So steht der „Lebensbaum“ an den Wegen, die wir gehen! Jedoch: die Deutung kann auch ganz anders ausfallen: der „Stern“ – Blitz der Atombombe? Wissenschaft und Technik, die als „Fortschritt“ die Schöpfung auch vernichten könnten? Die Frage bleibt offen.

Nicht zu übersehen ist die im tiefen Rot gehaltene Schlange, die sich am Stamm des jungen Baumes aus dem Dunkeln hochkringelt. Auch hier kann man einen doppelten Sinn erkennen: Ihr werden u.a. lebenserzeugende Sinnlichkeit und Sexualität zugesprochen – als Symbol für den menschlichen Lebenstrieb, der alle Dimensionen der Liebe zu eröffnen vermag. Sie steht aber auch für den lebenszersetzenden Zerstörungstrieb, für Machtstreben und Egoismus, für teuflische List, Falschheit und Betrug, auch für den menschlichen Wissensdrang, der tödlich enden kann, wenn die Machtgier hinzukommt.

Mit diesen Bedeutungen gehört ja die Schlange zur Ikonographie aller Völker! Allen Völkern ist sie bekannt als Trägerin des Lebens w i e des Todes. Dieser Widerspruch ist aktueller denn je! Die Frage ist nur, wohin sich der Pendel schließlich neigt? Die Frage bleibt offen. Was heute also vor allem gilt, ist, diese der Schöpfung inhärente Kraft zum Guten ebenso zu bewahren wie die Wachsamkeit gegenüber der stets gegenwärtigen Macht des Bösen. Hoffen wir gemeinsam, unsere Blindheit zu erkennen und die heilende Kraft in uns zu spüren … und von Gottes Weisheit geleitet zu werden in all den Entscheidungen, die wir in Zukunft treffen! Gottvertrauen und Verantwortung gehören zusammen wie Baum und Frucht! Trotzige Hoffnung lässt nicht locker und besteht auf dem guten Ausgang, auch gegen alle Wahrscheinlichkeiten. Auch Du ein starker Baum? Ja. Doch.

Wege nach innen

Diese beiden Fenster bilden eine Einheit. Sie verdeutlichen den Weg nach innen, indem sie ihn schon angelegt sehen im Ursprung der Religionen. Im horizontalen Fenster sehen wir die sichtbaren Zeichen der Entwicklungsgeschichte, die auf deren unsichtbaren geistigen Hintergrund hindeuten: Aus dem Mittelpunkt einer fossilienartigen Spirale entspringen, in verspielten Linien, Wasser, Pflanze, Fisch, Vogel und andere tierische Formen. Alles führt hin zum Menschen, wird zum Gleichnis seiner inneren, geistig-seelischen Entwicklung. Die Menschen werden fähig, die göttliche Offenbarung zu empfangen und zubeantworten. Während der linke Bereich des Fensters noch im Dunkeln liegt, werden die Farben zur rechten Seite hin immer heller und transparenter. Die Schöpfung strebt vom vorbewussten Sein zum Bewusstsein, von der Dunkelheit zum Licht, angezogen von einer Quelle, die unsichtbar und verborgen bleibt, aber nach der wir uns alle, mehr oder weniger bewusst, sehnen. Die dieser Quelle entspringenden Lichtstrahlen durchziehen ihrerseits das gesamte Fenster und erreichen auch die dunkelsten Farbspektren. Der Mensch, der am Ende der Entwicklung steht, ist dargestellt in Form eines männlichen Profils. Seine Arme sind nach vom gestreckt, seine Hände erreichen das zweite dazugehörige Fenster und treffen sich dort mit den Händen seines weiblichen Gegenparts. Das linke, horizontale Fenster symbolisiert somit das Männliche, die Evolution als vorantreibende Willenskraft, während das rechte, vertikale Fenster, das Weibliche, die Hingabe repräsentiert.

Die horizontalen Linien dieses „weiblichen“ Fensters setzen sich in den schrägen, vertikalen Linien des linken Fensters fort und schaffen so eine weitere Verbindung. Sie beschreiben einen Kreis, dessen Mittelpunkt wiederum die unbekannte Lichtquelle ist, zu der hin beide Fensterbilder orientiert sind.

Die vertikalen Linien des zweiten Fensters dagegen beschreiben eine weibliche Gestalt. Ein schmaler gelber Streifen zeigt ihre alte äußere Form, während ihr inneres wahres Wesen in Licht getaucht ist. Es wird von den Lichtstrahlen derselben unsichtbaren Quelle durchleuchtet, die auch der Ursprung des Lichtes ist, von dem her auch das andere Fenster erhellt wird. Die Lichtquelle ist nicht sichtbar, aber fühlbar, wenn wir nach innen schauen.

Mit geschlossenen Augen schmiegt sich die weibliche Gestalt an die Wärme und Liebe, die von dieser Quelle ausgehen, und lässt sich von ihrem Licht durchdringen. Das Licht fließt bis in die Fußspitzen der Gestalt und bringt ihr wahres Wesen zum Vorschein, während ihre äußere Form von ihr abfällt wie eine alte Kruste, nämlich ihre verkrusteten Vorstellungen und Komplexe. Indem sie sich voller Hingabe und Vertrauen öffnet, verwandelt sie sich in einen neuen Menschen, erfüllt von selbstloser Liebe und Mitgefühl.

Solche Erkenntnisse des innersten menschlichen Wesens verdanken wir den so genannten Stiftern der Weltreligionen, die über einen Erfahrungsweg bis zur je erkennbaren letzten Wahrheit gelangt sind. Hier sind die Symbole der fünf Weltreligionen in eine menschliche Figur gezeichnet: Der siebenarmige Leuchter – im Fuß – ist das Symbol für das Judentum, der Wurzel des Christentums. Darüber der Mond mit dem Stern, Zeichen für den Islam, gefolgt von dem heiligen Wort OM, Symbol für den Hinduismus. Das buddhistische Rad der Weisheit sitzt im Bauch, und das Christentum hat seinen Platz im Herzen gefunden.

Die Zeichensprache dieser Fenstereinheit will ausdrücken, dass jeder seinen Weg nach innen finden kann, um zum neuen Menschen zu werden. Wenn solche Menschen das Gesicht der Welt verändern, gäbe es eine Zukunft, in der Liebe und Mitgefühl das Handeln der Menschen bestimmen.

Bildentwurf und Text: Johanna Braeunlich

Der siebente Tag „Schabbát“

Der in Bildern sich entfaltenden biblischen Erzählung von der Schöpfung sind drei Fenster gewidmet. Schon das Erste ist ein einziger Lobgesang auf ihre Vielfalt. Es geht schließlich in der Bibel (und auch im Koran) um die im Menschen bewusst werdende Freiheit, die ihn zu einem von Gott angesprochenen Gegenüber macht – und damit zum Verwalter der Schöpfung. Es geht – Gott gegenüber – um Antwort oder Verweigerung.

Die Idee zu diesem Schabbátfenster geht aus vom letzten Satz der Schöpfungsgeschichte, die aber in Wirklichkeit noch nicht zu Ende ist: Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. So erzählt das Fenster die Schöpfungsgeschichte aus dem ersten Buch Moses: Tag und Nacht, Luft und Wasser, Himmel und Erde werden sichtbar die ganze Entwicklungsgeschichte des Lebens, bis hin zum Menschen. Aber in der gesamten Schöpfung liegt ein Geheimnis verschlüsselt, ein Weg, der sich nur dem zeigt, der ein bisschen genauer hinsieht: Die Grundform in dem Fenster ist die eines Ohres. Wie bei einer Spirale windet sich ein Weg nach innen, undurchsichtig und gut verborgen wie in einem Labyrinth. Der Weg beginnt im Dunkeln, Unbewussten, und führt durch das gesamte Farbspektrum des Lebens hindurch, bis hin zum reinen weißen Licht in der Mitte des Fensters. Die Strukturen dieses und der beiden nächsten Fenster sind deshalb ähnlich. Nur ist hier im Schabbátfenster durch die Grundform des menschlichen Ohrs noch ein deutlicher Hinweis gegeben, worauf es bei diesem Weg ankommt: auf das Hören.

Interessanterweise ist das Ohr beim Menschen das am besten ausgebildete Sinnesorgan. Obwohl wir uns fast ausschließlich nur noch auf das verlassen, was wir sehen. Unsere Aufmerksamkeit wird nach außen gelenkt, wir werden davon abgelenkt, nach innen zu schauen. Was dabei zu kurz kommt, ist unser Hineinhorchen in unser innerstes Wesen. Es gibt jedoch kein besseres Heilmittel als unser innerstes Wesen.

Jesus sagt: „Das Reich Gottes ist in Euch. Suchet zuerst das Reich Gottes, und alles andere wird Euch hinzugegeben“

„Die größte Offenbarung ist die Stille“ schreibt Laotse. Das Ohr ist der Weg. Es ist ein Weg, der in die Stille führt, der uns zu unserem wahren Zuhause, zu unserem wahren Selbst führt und damit zu Gott. Verfolgt man die Windungen des spiralförmigen Ohres von außen nach innen, so hört die geistige Entwicklung des Menschen nicht auf. Der Weg will uns noch weiter führen. Zur Mitte hin wird die Bahn immer lichter und heller, bis hin zum reinen weißen Licht im Zentrum des Fensters. Wir sind dazu da, uns nach innen zu wenden, nach innen zu horchen, in die Stille hinein. In der Stille geschieht etwas mit uns: In ihr können wir uns mehr und mehr von alten Verhaltensmustern und Komplexen lösen und zurückfinden zu unserem wahren Wesen, das in sich den göttlichen Funken birgt.

Bildentwurf und Text: Johanna Braeunlich

Friedensreich

In diesem Fenster thematisiert die Künstlerin die Friedensvisionen der Propheten Jesaja und Micha.

Es geht um die Vision von einer Zeit, in der es keinen Krieg mehr geben wird, in der alle Wesen glücklich miteinander leben werden. Gemeint ist nicht ein jenseitiges Himmelreich; hier auf der Erde wird dieses Gottesreich entstehen, so die Prophezeiung.

Jesaja spricht von dem Berg Gottes und davon, dass sich ganze Völker dorthin aufmachen werden: „Und es wird dort eine Bahn sein, die der heilige Weg heißen wird.“ Wir alle sind dazu aufgerufen, diesen Weg zu gehen. Je mehr Menschen sich dazu entschließen, desto realer wird das Friedensreich. Der Weg auf den Berg Gottes ist Symbol für den inneren Weg, der zwar beschwerlich ist, aber uns immer weiter nach oben führt, immer näher zu Gott und zu unserem wahren Selbst. Wenn wir uns durch die Liebe leiten lassen, werden wir auf diesem Weg erfahren, dass Konflikte sich anders lösen lassen als durch das Recht des Stärkeren, denn „da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Lanzen zu Sicheln …, und sie werden künftig nicht mehr lernen, Krieg zu führen.

Die Propheten Jesaja und Micha beschreiben diesen Weg des zukünftigen Heils in wunderschönen Bildern (siehe Text links).  Alle diese zunächst märchenhaft anmutenden Bilder werden in diesem Prophezeiungsfenster angedeutet.
Die zentrale Figur dieses Fensters ist ein Mensch im Meditationssitz mit geschlossenen Augen. Er hört nach innen, und in seinen Gesichtszügen spiegelt sich der Friede, den er da in sich erfährt. Über ihm erhebt sich der Berg Gottes, denn Liebe und Geduld sind die Kräfte, von denen er sich leiten lässt, auf dem Weg nach oben. „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird Euch frei machen.“ (Joh 8,32)
Der heilige Weg ist da. Er beginnt in der Mitte des Herzens und führt hinauf zur Spitze des Berges. Denn jeder trägt in sich einen göttlichen Keim, der nur darauf wartet, sich zu entfalten. „Neues verkündige ich. Bevor es aufsprosst, lasse ich es hören.“

Jeder kann es hören, wenn er nach innen horcht. Und so ist mit der zentralen Figur dieses Fensters nicht Buddha gemeint, auch nicht Jesus, sondern jeder Einzelne von uns, in dem das Neue wächst. Aber dazu müssen wir uns aufraffen und uns auf den inneren Weg begeben, folgend dem Versprechen: „ Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von Euch finden lassen.“ Dann wird Jesajas Prophezeiung eintreten, die da heißt: „Die Erlösten des Herrn werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und weit entfliehen werden Schmerz und Leid.“

Buße ist: Einsehen, Umdenken, Umkehren.

BjuDass die Schrecken einmal ein Ende nehmen: Das erhoffen sich die Leidenden und Unterdrückten vom kommenden Reich Gottes. Die Frage nach der Gerechtigkeit bleibt indes offen, bis endlich eine andere beantwortet ist: Wie haben wir die Freiheit genutzt, zu der wir berufen sind? Diese Fragen sind umso dringlicher, je mehr wir zerstören, was unser Leben, unser Zusammenleben bedingt.

Ob ich dies einsehe, fragt mich das Fensterbild, das „Buße“ heißt. Buße ist „Einsehen, Umdenken, Umkehren“. Das Fenster zeigt den Stamm eines Baumes, der aus den Wurzeln hin zur Krone wächst: der Sefirot-Baum. Eingraviert in Blau auf fünf Tafeln sind hebräische Worte, Zeichnungen und Zahlen. Aus ihnen heraus klingt die Anfrage Gottes angesichts von Fakten, die wir zu verantworten haben. Von unten nach oben betrachtet, können sie gelesen werden.

Ganz unten am Stamm des Baumes, steht auf der ersten Tafel das hebräische Wort „Malchuth“. Es verweist uns auf Gottes Herrschaft: „Ich, der Eine, habe ausgesät, was da wachsen soll. Eingesenkt habe ich in Euch, wie Samenkörner in die Erde, den Samen meines Reiches.“ Wollen wir endlich einsehen, wie sehr es auf uns ankommt, dass zuletzt das Böse nichts mehr vermag und Gottes Wille geschehe – wie im Himmel so auf Erden?“

Die zweite Tafel (Jesod) fragt nach dem Fundament und weist uns auf ein Geheimnis: „Verborgen in meiner Barmherzigkeit ist Euer Schicksal“, spricht Gott: „Wie könnte ich je zulassen, dass auch nur eine Hand sich hingäbe, um den Traum vom Menschen zu vernichten?“ Wie kann es uns dann gleichgültig sein, dass wir all das jederzeit beenden könnten, mit einer Sprengkraft von 12.000 Megatonnen, im nuklearen Feuersturm?

„Hod-Netzach“ werden auf der dritten Tafel verbunden: Hier geht es um SEINE Herrlichkeit und seinen Sieg.  ER, der sagt: „Glücklich seid Ihr Armen und Sanftmütigen, Ihr Trauernden und Barmherzigen und Ihr Friedensstifter, die da hungern und dürsten nach Gerechtigkeit!“  Doch diejenigen, die heute „in göttlicher Mission“ Kriege führen, tun dies im Namen der Götzen der wirtschaftlichen und militärischen Vorherrschaft: So wurden allein zwischen 1970 und 1980 986 kirchliche Basisgemeinden in Lateinamerika zerschlagen, tausende Menschen gefoltert und ermordet , weil sie die Bergpredigt Jesu ernst nahmen und so Sandkörner waren im Getriebe eines mit struktureller Gewalt herrschenden Wirtschaftssystems.

Die vierte Tafel (Tifereth) fragt nach der Aufrechterhaltung des Daseins, nach Verherrlichung und Schönheit. Dementgegen steht hier die Zahl 7.000.000—die symbolische Zahl, wenn zu den sechs Millionen Opfern der Shoa noch die Kreuzzüge und Pogrome hinzukommen. „Mit Eurem millionenfachen Nein zum Bund Gottes mit Israel, habt Ihr mir ins Gesicht geschlagen“, heißt es hier in Anlehnung an Jesaja 53.

„Kether“: Letztlich geht es hier um die Frage, wem wohl am Ende die Krone gehöre. Der Erste meint: den Juden. Der Zweite: den Christen. Und der Dritte: den Muslimen. Schließlich jedoch verschwanden alle Drei, um sich abseits weiter zu streiten, . . . bis zum Jüngsten Tag. Doch da war ein Dornbusch, der brannte, aber verbrannte nicht, denn das Feuer war ein Engel. Und er flocht eine Dornenkrone, und wurde zum leidenden Gottesknecht, zum Messias, der am Ende siegen wird über die Herrschaft der Welt. Am Ende wird er kommen und mit ihm Friede und Gerechtigkeit, gerade dann, wenn die Wenigsten ihn erwarten, wenn die Wenigen aber, auf die es ankommt, das Warten noch nicht aufgegeben haben.

Der Stern der Verkündigung

Das Ostgiebelfenster stellt schon durch seine Lage die Verbindung zwischen Himmel und Erde her, die dreieckige Form ist eines der bekanntesten Zeichen der Dreieinigkeit.Giebelfenster

Das Grundmotiv – Himmel und Erde, Land und Wasser – wird durch die farbliche Gestaltung (Blau- und Erdtöne) unterstützt, gekreuzt von Strahlenbahnen die von der morgendlichen Sonneneinstrahlung verstärkt werden. Der Mensch strebt nach oben, Gottes Licht strebt von oben nach unten. Dazwischen, im Kreuzpunkt der Strahlenbahnen, schwebt der Stern als Symbol der Verkündigung. Zwölf über das ganze Dreieck verstreute Punkte stehen für die Stämme Israels.

Der Stern steht über der gesamten Welt, der Schöpfung wie der Länder und Völker. Er steht als Verheißung einer gemeinsamen Hoffnung aller Völker auf Versöhnung untereinander und zur Bewahrung all dessen, was uns anvertraut ist in Gottes Schöpfung für alle nachfolgenden Generationen.

Fenster und Text von Ellen Hug

„Neues Jerusalem“

Ausblick

Von einem goldenen Traum, von der friedlichen Erinnerung aller Menschen im neuen Jerusalem kündet dieses Fenster. Wir sehen eine weiße Gestalt, schwebend zwischen Himmel und Erde, mit erhobenen Armen,  einen siebenarmigen Leuchter in ihren Händen. Wo ihre Füße die Erde berühren, wächst die Stadt aus Edelsteinen, bereit, alle Menschen zu empfangen. Der angedeutete weiße Schleier wird zum Schmuck, der die Braut umrankt, die Braut des ewigen Schabbat, die zum Mahl versammelt – aus großer Trübsal . . . und schon sind sie einander ans Herz gewachsen. Es wächst die verheißene himmlische Stadt auf Erden – wächst überall dort, wo Menschen sich die helfende Hand reichen. Und so sind wir – obwohl noch nicht – schon trotzdem zu Hause. Denn „Er“ ist mitten unter uns, so dass wir sagen: Ja, wir sind schon zu Hause, in Gottes Haus. Und so habe ich ein Ideal vor Augen: Menschen im Licht; eine Erde, auf der Gerechtigkeit wohnt; eine Stadt des Friedens.

Diese Vision ist der Zusammenhang all dessen, was in den Büchern Mose und den Propheten wie in den Schriften geschrieben steht: Wer sie durchhält, geht einen weiten Weg durch das Meer, über Abgründe – und lernt dennoch die Hoffnung, das Ausharren und die Ermutigung, dem Licht entgegen zu gehen.

Die jüdisch-katholische Gelehrte Edith Stein schrieb von unseren Augen als „Fenster der Seele“. In Anlehnung an diese Worte hat sie sich gewünscht, dass Gottes Licht durch die Fenster der Seelen in unser Innerstes dringe – und zurückstrahle in unsere Welt, auf den Wegen der Mitmenschen. So dass auch du „ein Fenster“ sein kannst, durch das Gottes Liebe hinein leuchtet in unsere Herzen. Auch so wächst die himmlische Stadt auf Erden, wächst überall, wo sich Menschen die helfende Hand reichen . . .

Neuer Platz für das ursprüngliche Altarkreuz

Das ursprüngliche Altarkreuz der Johanneskirche wurde zusammen mit der Eingangstür und der ersten Taufschale von dem Gelnhäuser Bildhauer und Gold– und Silberschmied Burkhard Oly geschaffen.

Das Altarkreuz, das lange Jahre nicht zu sehen war, hat im Sommer im Anschluss an die Sanierung im Foyer dort einen neuen würdigen Platz gefunden. Beim Betreten der Kirche lenkt es rechter Hand den Blick auf sich und erinnert den Besucher daran, in wessen Haus er eintritt.